EMO ReLOADED

E-Boys erfreuen sich auf TikTok und Instagram immer größerer Beliebtheit. Doch was steckt hinter der Fassade des aktuellen Sad Boy-Hypes?

Wie man ihn findet? Ganz einfach! Man scrolle durch populäre Social Media-Kanäle und schnell wird man fündig: Das Haupthaar sauber mittig gescheitelt; lackierte, mit Ringen besetzte Finger; Longsleeve-Ringelshirts unter Oversize-Hemden. Wahlweise grobe oder feine Ketten zieren den Hals; ein (wichtig: EIN!) möglichst baumeliger Ohrring tanzt am Ohr. Hardliner setzen mit –mal mehr mal weniger permanenten– Facetattoos eine Kirsche auf das wohl-kuratierte Selbstbild . Optional, aber gerne gesehen: eine performativ traurige Mimik.

Auf der Straße ist er als introvertierter Vertreter der Generation Z dagegen nur selten anzutreffen. Wie auch? Social Media Accounts pflegen sich schließlich nicht von selbst.

Insgesamt ist der E-Boy also ein ästhetisches Konglomerat, das irgendwo zwischen James Dean und Fuckboi Vibes á la Justin Bieber seine Fusion findet. 

Seinen Ursprung findet der Trend in der Emo-Szene, die insbesondere in den frühen 2000ern florierte und eine traurige Miene auf Gesichter zauberte, die von Vorhängen akribisch-geschwärzten Haares teil verdeckt wurden. Schon hier stand damals eher eine Schaffung von Subkultur durch rein ästhetische Akzente im Vordergrund; nur nebenbei begleitet von einem Hang zu emotionaler Punkmusik. Ein Aspekt, der beim aktuellen E-Boy endgültig verloren gegangen ist. Klar, irgendwie wird in einer bestimmten Altersgruppe doch überwiegend die gleiche Musik gehört, sie steht nur eben nicht mehr so auf der Agenda wie noch bei den Emos.

Ein weiterer Unterschied: Während der gemeine Emo seinerzeit noch schiefe Blicke und Anfeindungen seiner Normie-Zeitgenossen über sich ergehen lassen musste (ich spreche aus Erfahrung; still hurts), sind E-Boy und Girl offensichtlich in eine Generation geboren, bei der eine saftige Portion Goth und prätentiöse Traurigkeit alles andere als negativ konnotiert werden. Diesem Mangel an sozialer Reibung mag zugrunde liegen, was dem typischen E-Boy aktuell noch fehlt: authentische edginess. Provokation. Kontroversität. 

Was dem Trend auch öfter mitschwingt, ist ein –natürlich sehr subtiler, wie gesagt– Hang zu BDSM-Referenzen. In einer Online-Kultur, in der selbst Erwachsene alles vom knapp zwei Jahre älteren Elektriker, der die Waschmaschine anklemmt, bis hin zu ausgewachsenen Popstars als „Daddy“ labeln auch nicht wirklich verwerflich. Die sexuellen Untertöne der Subkultur haben es dabei aber schon in den Mainstream geschafft, zum Beispiel im Text von Billie Eilishs „bad guy“. Doch während die Künstlerin hierbei eine clevere Verkehrung von tradierten Geschlechterrollen zelebriert, sieht der Fall für den E-Boy, der auf TikTok zu Hip-Hop Musik sein Outfit präsentiert leider eher mager aus.